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AutorenbildK. H.

Toxische Scham - Teil II Die Aktivierung und die Konsequenzen von toxischer Scham



"Scham funktioniert wie das Zoomobjektiv einer Kamera. Wenn wir uns

schämen, wird die Kamera eng herangezoomt und alles, was wir sehen, ist unser fehlerhaftes Selbst, allein und ringend."

Brené Brown



Was triggert Scham bei schambasierten Persönlichkeiten?


Und wenn Scham getriggert wird, wie wirkt sie sich auf das Denken, die Emotionen oder Handlungen aus?

Mögliche Trigger toxischer Scham sind sehr individuell und können z.B. sein:

Jemanden enttäuschen, jemand ist ungeduldig mit dir und macht dir Druck, ein mitleidiger Blick, Leute setzen dir Grenzen, Leute korrigieren dich, geben Feedback, machen Vorschläge, Leute reden über dich. Leute verdrehen ihre Augen, geben dir das Gefühl, dumm zu sein, Leute geben dir nicht ihre volle Aufmerksamkeit, Leute flüstern oder lachen, andere erledigen eine Aufgabe besser als du, Leute ignorieren deinen Rat und behandeln dich respektlos, Konflikte, Leute sind wütend auf dich, Leute bringen Beweise hervor, dass du falsch liegst. Körpersprache – Augenbrauen hochziehen, erhobener Zeigefinger, Seufzer, ein naher Freund/ Freundin ist depressiv und will keine Zeit mit dir verbringen, Leute erinnern dich an eine peinliche Situation, dein Partner hält dir deine Vergangenheit vor Augen und vieles anderes.


Die Negativspirale der Scham, ausgelöst durch Trigger


"Beschämen oder Herabsetzen bewirken nicht, dass Menschen ihr Verhalten ändern."

"Wir können nicht wachsen, wenn wir uns schämen, und Scham funktioniert nicht als Mittel, dass wir uns selbst oder andere sich ändern."

Brené Brown


Wenn toxische Scham getriggert wird, wird der limbische Teil unseres Gehirns, also das Unterbewusstsein, getriggert. Und dadurch wird eine ganze Reihe von inneren Systemen in Gang gesetzt. Das kann in einem Bruchteil einer Sekunde geschehen und entzieht sich unserer bewussten Steuerung. Meistens folgt dieser Ablauf einem Muster:

· Eine Gruppe von negativen Gedanken und Überzeugungen wird getriggert

· Diese triggern dann negative Emotionen

· Und diese führen zum Ausagieren in negativen Handlungen und Verhaltensweisen

Es wird also ein System aufgespielt, das alles noch schlimmer macht und das Schamproblem nicht löst. Der erste Schritt in die richtige Richtung ist, das System zu verstehen. Denn je länger man in der Scham bleibt, desto mehr werden die Verhaltensweisen wie Dominosteine nacheinander umfallen. Die Scham- Spirale kann zu Selbsthass führen, worauf wiederum selbstzerstörerische Verhaltensweisen wie z.B. Selbstvernachlässigung, Selbstverletzung und Selbstsabotage folgen können.



Was spielt sich bei Schamgefühlen auf organischer Ebene ab?


Das vegetative Nervensystem steuert Reize und koordiniert die Weiterleitung. Schamstress ist ein sozialer Stressor, ein Reiz, der auch in kleinen Dosen schon deutliche Wirkung hervorruft. Dies ist messbar und wurde in wissenschaftlichen Studien festgestellt. Das Nervensystem und das Gehirn unterscheiden nicht zwischen sozialem Stress und einer körperlichen Verletzung. Die gleichen Areale im Gehirn werden angeregt und die gleichen Stoffe werden gebildet. Ein sozialer Stress kann so schmerzhaft sein, wie ein Beinbruch. Ausserdem korreliert die Affekttoleranz mir der Schmerztoleranz: Wenn ich Gefühle gut ertragen kann, kann ich auch Schmerzen gut ertragen und umgekehrt. Verletzlichkeit ist also subjektiv ganz verschieden und hängt davon ab, wie jemand mit einfühlsamen Eltern lernen durfte, die eigenen Emotionen regulieren zu können.

Bei einer Stressreaktion wird der Entzündungsbotenstoff TNF-α- ausgeschüttet und bewirkt eine Schwäche des Körpers, bis hin zu sich gelähmt fühlen. Ähnlich wie bei einem starken Infekt.

Sobald eine Scham eintrifft, wird der entspannte Zustand (=Smart-Vagus-Zustand) verlassen, d.h. der Zustand, in dem wir in einer liebevollen, zugewandten, entspannten Art miteinander kommunizieren können. Der Schamstress bewirkt eine Erregung des Sympathikus, was wiederum auch Angst auslöst. Wenn die Scham stärker wird, kommt der Wechsel zum parasympathischen System., d.h. Muskeltonus und Herzschlag sinken, Atmung wird schlaffer. Der Körper sackt fast zusammen. Das wird als Reaktion des «Verschwindenwollens» wahrgenommen. Es ist, als würde plötzlich alles Leben aus dem Körper entweichen.

Kommt zur Beschämung eine Demütigung hinzu, also eine aktive Ablehnung und Abwertung, oft mit Gewalt verbunden, dann kann es sein, dass sowohl Sympathikus als auch Parasympathikus aktiv bleiben und eine fast unerträgliche Spannung im Körper erzeugen, die eben nur schwer gelöst werden kann. Es ist wie als würde man im Auto das Gaspedal und die Bremse gleichzeitig betätigen.

Wir sehen, wie wichtig es ist, diese Schamerfahrung nicht mehr von Generation zu Generation weiterzugeben.


Eine Inspiration


Du bist immer bereits gewollt und geliebt. Sonst wärst du nicht hier. Und es gibt einen Kern in dir, der das weiss und schon immer wusste. Es kann sein, dass er sehr stark zugedeckt und verschüttet ist, aber er ist da. Und dieser Teil von dir hat dich immer nur geliebt und anerkannt. Die Diskrepanz zwischen diesem Teil von dir und deinen Gedanken ist das, was die negativen Gefühle entstehen lässt. Eine Trennung oder Unzufriedenheit entsteht. Der Mensch hat die Tendenz, mit seinen Mitmenschen in eine Art von Resonanz zu gehen. Wenn du aber danach strebst, mit jemandem in Einklang zu gehen, der nicht in Harmonie mit seinem reinen inneren Kern ist und du dies auch schaffst, dann haben sie dich weggelockt von der möglichen Verbundenheit, der Freude oder der wahren Anerkennung und Liebe, die eigentlich für dich möglich ist. Dann ist das so, wie wenn du an den falschen Orten nach Liebe suchst.

Ein weiterer typisch menschlicher Aspekt ist, dass wir nach Gründen für unsere Gedanken und Überzeugungen suchen. Nach Beweisen. Wenn wir etwas lange genug mitgeteilt bekommen, dann entwickeln wir daraus einen Glaubenssatz. Und auf unserem weiteren Lebensweg, solange wir diesen Glaubenssatz behalten, sammeln wir Beweisstücke als Bestätigung. Es ist möglich, dass wir dadurch diese Gedanken und Überzeugungen ins Extreme steigern und uns damit identifizieren.

Du kannst dich jedoch niemals so weit von deinem inneren Kern entfernen, dass du nicht mehr einen Weg dorthin findest - und wir suchen ständig danach. Die Beziehung, die wir zu unserem inneren Sein haben, ist die wichtigste, und jede andere Beziehung zu jedem anderen Menschen ist dagegen eigentlich irrelevant.



Im Teil III der Reihe geht es um Bewältigungsmechanismen.

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